Zwei Innovationstreiber des Dynamic Publishings im Gespräch
Horst Huber, Geschäftsführer unseres Partners Werk II, und Thorsten Hamann, IT-Consultant bei Laudert, gehören zu den Urgesteinen das Dynamic Publishings: Ein Gespräch über Print Publishing und die digital Natives, die Print erst wieder lernen müssen.
Warum Print „neu erklärt“ werden muss
Horst, Thorsten, wie gestaltet sich die aktuelle Situation rund um das Print Publishing?
Horst Huber: Wir erleben gerade eine spannende Zeit. Eine ganz neue Generation Marketer, Digital Natives, trifft auf Print. Aus „Print first“ wurde „Digital first“ – manche Unternehmen trieben es mit „Digital only“ gar auf die Spitze. Jetzt schwingt das Pendel aber schnell zurück. Das Erlebnis, das Print in eine Gesamtkommunikation eingebettet einnehmen kann, ist eben unschlagbar und für den Gesamterfolg jeder Marketingkampagne eine Bereicherung. Für viele junge Marktteilnehmer ist das ein Lernprozess, sie hatten bislang wenig mit Print zu tun. Wir lernen gerade, Print in einem kleineren Generationenkonflikt neu zu bewerten und anzuwenden.
Thorsten Hamann: Ich erlebe Ähnliches. Die Anzahl an ganz grundsätzlichen Gesprächen, die sich damit auseinandersetzen, wie Print überhaupt funktioniert, wie sich dieses eigentlich doch recht edle Medium in eine Kommunikationsstrategie einbinden lässt (auch mit Blick auf eine effiziente Produktion), steigt sowohl bei Bestandskunden als auch bei Interessenten. Aufgrund unserer Erfahrung sind wir uns der Fragen bewusst und kennen die richtigen Antworten.
Dynamic Publishing ist die Antwort auf die Frage, wie ich aus Produktinformationen die Katalog- oder Prospekterstellung automatisiere. Werk II hat in diesem Bereich eine Vorreiter-Rolle eingenommen. Die Frage ist lange gelöst, es geht nun um mehr Individualität, aber auch Geschwindigkeit und Vielfalt. Das ist ein Vektor, der sich einfach weiter fortsetzt und an Relevanz gewinnt. Es gesellt sich eben die Frage dazu, wie Print in eine moderne Kommunikation eingebunden wird.
Horst Huber: Wobei wir in der Diskussion auch die Unterschiede zwischen B2B und B2C betrachten sollten. Im B2C steht der Katalog in vielen Bereichen (Distanzhandel, Retail) überhaupt nicht zur Debatte. Die Print-Anstöße sind einfach zu relevant, auch für das Online-Geschäft [Anm. d. Red.: Die EHI-Studie „Marketingmonitor Handel 2021-2024“ unterstreicht das]. Print erlebt ansonsten einen neuen Kontext. Wie du sagst, schneller, aber auch besser und eben günstiger sind wichtige Faktoren. Print als Medium steht nicht in Frage, sondern wie es ideal in den digitalen Einsatz eingebunden werden kann.
Im B2B sind sogar nach wie vor ganze Vertriebskonzepte auf einen Hauptkatalog ausgerichtet. Selbst interne Kommunikation findet darüber statt – als Recherche-Möglichkeit. Der haptische Katalog ist bei tausenden, häufig sehr technischen Produkten tatsächlich einfach schneller als eine moderne Website.
Durch die Einführung einer Print-Automatisierung verlieren Leute nicht ihre Arbeit, sondern fokussieren sich auf Content, der nicht automatisiert werden kann.
Der Rote Faden „Mensch“ im Projekt
Wenn diese „neue Art, Print zu denken“ nun aber, wie ihr beschreibt, für viele Marketer ein Lernprozess ist, bedeutet das auch Veränderung in den Unternehmen. Wie nehmt ihr das wahr?
Horst Huber: Eben weil die Bedeutung von Change-Management so eminent ist, haben wir dem Thema einen eigenen Themen-Komplex auf dem priint:day gewidmet. Die enorme Geschwindigkeit, die Print entwickeln kann, erfordert verbesserte Daten sowie perfektionierte Ausleitungsmöglichkeiten in Sprachen und Varianten. Da geht es schnell um eine klassische ROI-Betrachtung und -Argumentation.
Essenziell ist dabei: Durch die Einführung einer Print-Automatisierung verlieren Leute nicht ihre Arbeit, sondern fokussieren sich auf Content, der nicht automatisiert werden kann (z. B. redaktionelle Parts oder individuelle Hochglanz-Bereiche). Einerseits sind gute Daten Voraussetzung für das Dynamic Publishing, aber andererseits ermöglicht die Automatisierung auch eine enorme Verbesserung der Daten, weil Ressourcen in die Kreation und Content-Erstellung verschoben werden können.
Thorsten Hamann: Der rote Faden in diesem Change ist der Faktor Mensch. Das Dilemma zwischen „Ich verbringe so viel Zeit mit manueller Arbeit“ und „Ich habe Angst, aufgrund von Technologie und Automatisierung die Kontrolle, vielleicht sogar die Bedeutung zu verlieren“ ist groß. Dabei ist genau dieser Faktor essenziell für das Gelingen eines Automatisierungsprojekts: Wie nehme ich die Menschen mit und löse ihre Probleme?
Horst Huber: In solchen Diskussionen kommt auch unterschwellig zu Tage, dass dieser menschliche Aspekt nicht berücksichtigt oder als kritischer Faktor bewertet wurde.
Thorsten Hamann: Bei Laudert spielt das deshalb eine große Rolle. Wir dürfen da natürlich nicht den ersten Stein schmeißen, auch wir hatten früher eine sehr technische Perspektive. Aber wir haben viel dazugelernt. Für uns ist das heute von Anfang an Teil unserer Gespräche: Wie ist der Zusammenhang zwischen Prozess und Mensch? Erst an zweiter Stelle steht die Identifikation möglicher IT-Systeme zur Fehlerbehebung. Der Fokus liegt erstmal auf dem Schmerz der Menschen – und daraus sinnvolle Lösungen abzuleiten. Die Technik können wir.
Auf lange Sicht werden die messbar höheren Response Rates sich durchsetzen
Dynamic Publishing benötigt Mutige, die die Möglichkeiten ausschöpfen
Wie sieht der Ausblick auf die kommenden Monate und Jahre aus?
Thorsten Hamann: Da könnte ich jetzt mit Buzzwords um mich schmeißen: Recommendation Engines, Print als Impulsmedium, Content, künstliche Intelligenz. Ansätze gibt es viele. Spannend finde ich eigentlich, dass mittlerweile die Technologie, etwa für hochindividualisierte 4-, 8-, 16-Seiter, da ist, und jeder findet es saugeil. In jedem Gespräch wird das gespiegelt. Aber es fehlt der letzte Mut, es dann auch zu machen. Gerade im Programmatic Printing-Bereich – aber auf lange Sicht werden die messbar höheren Response Rates sich durchsetzen.
Horst Huber: Absolut. Das vorhandene Potenzial erstmal ausschöpfen, das wird uns beschäftigen. Ich würde noch einen Fokus auf den Bereich Content legen wollen. Auch hier tun sich die Unternehmen sehr schwer. Automatisierte Texterstellung etwa ist heute schon in so vielseitiger Hinsicht möglich. In Zukunft werden wir Systeme haben, denen sagst du nur noch „Produkt A, Zielgruppe feminin, 41 bis 69, Textlänge 400 Zeichen“. Ich bin überzeugt, dass es in Zukunft diese intelligenten Text-Services gibt, die das dann bewerkstelligen.
Thorsten Hamann: Dasselbe gilt ja auch für Bilder. Mit der richtigen Technologie können zum Beispiel Outfits komplett virtuell kreiert und generiert werden, per Recommendation oder als kreativer Prozess. In diesem Bereich ist Laudert übrigens auch in der Forschung aktiv. Wären Fashion-Hersteller in der Lage, virtuelle Schnittmuster zu liefern, wäre eine Content-Erstellung an einem virtuellen Model theoretisch möglich.
Horst Huber: Da sind viele Themen, die Neuerungen mit sich bringen. Ich bin sehr gespannt, welche Fortschritte uns da ins Haus stehen.