Von der Theorie in die Best Practice – am Beispiel Warema
Mit der Einführung eines neuen IT-Systems erwarten Unternehmen zahlreiche Verbesserungen in ihren Abläufen. Genauere Daten, straffere und effizientere Prozesse sowie stringentere Workflows sind nur ein Auszug. In mehr als 20 Jahren Entwicklung komplexer IT-Systeme hat Laudert acht Faktoren identifiziert, die entscheidend bei der Erreichung der eigenen Ziele sind.
Insights aus der Praxis zu jedem Faktor gibt Jürgen Bauer, Leiter Data Management F&E bei Warema. Als Projektverantwortlicher setzte er gemeinsam mit Laudert ein Contentserv-PIM für den renommierten Hersteller technischer Sonnenschutzsysteme um. Beweggründe für die Einführung des PIMs bei Warema waren insbesondere die Internationalisierung und die damit einhergehenden Anforderungen an Datenbestand und Ausleitungsmöglichkeiten.
Faktor 1
Ein erfolgreiches Team
- Fachabteilungen und Key User frühzeitig einbinden
- Projekt- oder Themenpaten benennen
- Product Owner bestimmen
- Lenkungskreis zur Entscheidung, Bewertung und Evaluierung
- Ehrlicher Umgang der Projektpartner
BEST PRACTICE Warema, Jürgen Bauer: „Bei Warema bestand das Kernteam aus Mitarbeitern aus den Bereichen Marketing, IT, Produktmanagement und F & E, die offen waren für Veränderung und mutig genug, sie umzusetzen – das war wichtig, denn in einem Projekt, das jahrzehntealte Strukturen und Prozesse infrage stellt, stößt man an der ein oder anderen Stelle auch auf Widerstand.
Im Team gab es Themenpaten (z.B. für IT-Infrastruktur, Datenmodelle, Prozesse, Management of Change ), die als Ansprechpartner zur Verfügung standen. Eine Besonderheit bei uns war sicherlich der Projektraum, der in der heißen Phase für das Kernteam an drei Tagen in der Woche verpflichtender Arbeitsort war. Das sorgte für Konzentration auf das Projekt und kurze Kommunikationswege. Über den Lenkungskreis waren wir immer in der Lage, den aktuellen Stand intern bei Entscheidern und Fachabteilungen zu präsentieren, Maßnahmen zu empfehlen oder alternative Richtungsvorgaben zu erarbeiten. Klare, protokollierte Entscheidungen haben uns unglaublich geholfen, das Projekt erfolgreich umzusetzen.“
Faktor 2
Agiles Vorgehen
- Klares Gesamtziel / klare Vision
- Gezielte erste Quick Wins
- iteratives Vorgehen / kleine Schritte
Warema: „Wir haben im Projektmanagement bei Warema einen Mix aus Wasserfall- und Scrum-Methode für das Projekt angewandt, um uns an festen Meilensteinen zu orientieren. Zwischen diesen Meilensteinen haben wir sehr agil gehandelt. Durch gezielte Sprints und entsprechende Reviews sind wir zügig im Projekt vorangeschritten. Natürlich haben wir für Organisation und Dokumentation entsprechende Software-Tools genutzt. Dieses Vorgehen haben wir nun auch auf die laufende Linie ausgeweitet.“
Faktor 3
Change Management
- Prozesse digital neu denken (keine 1:1-Übernahme)
- Paradigmenwechsel (der zu Widerständen führen kann)
- Bestimmung Verantwortlichkeit Change Management
- Menschen nicht aus den Augen verlieren
Warema: „Change Management war für uns sehr wichtig und wurde von einem Themenpaten getrieben. In einem Kick-off-Termin stellten wir in kleineren Gruppen die neuen Verantwortlichkeiten und Prozesse vor und standen den Mitarbeitern zu ihren Fragen, Sorgen und Ängsten Rede und Antwort. Zudem haben wir im Zuge des Projektes eine Fachabteilung eingerichtet, die sich interdisziplinär um die zentrale Fortentwicklung digitaler Veränderungen durch die neue IT-Infrastruktur kümmert. Außerdem haben wir den Betriebsrat eng involviert, um Bedenken zerstreuen und Missmut entgegenwirken zu können.“
Faktor 4
Migration, Datenpflege und Medienneutralität
- Komplexer und unterschätzter Faktor
- Chance zur Bereinigung und Anpassung
- Etablierung einer sauberen Datenstruktur
- Experten liefern essenziellen Input
Warema: „Unsere Daten kamen aus etwa 2.000 DIN-A4-PDF-Seiten, da wir vorher kein PIM-System besaßen – eine große Herausforderung. Also haben wir eine neue Produktstruktur erarbeitet und die Informationen mit Attributen im PIM in diese Struktur sauber eingepflegt. Zudem wurden über 200.000 Assets aus der bisherigen Mediendatenbank eingepflegt. Empfehlung von uns: Die Gelegenheit der Datenbereinigung in diesem Zuge unbedingt nutzen!“
Es muss einfach „menscheln“ in einem solchen Projekt.
Faktor 5
Keine eierlegende Wollmilchsau
- Jedes System hat einen bestimmten Zweck
- Werkzeug statt Allheilmittel
- Probleme nicht ins System verlagern
- Zuständigkeiten im Vorfeld klären
Warema: „Um genau diese Probleme zu vermeiden, haben wir eine klare Definition für unser Projekt erstellt, die wir bereits beim Kick-off vorgestellt haben. Dazu gehörten z. B. soziale Ziele oder Leistungsziele, aber – was uns sehr geholfen hat – auch Nicht-Ziele, um den Fokus wahren und den Zeitplan einhalten zu können. Das führte zu einem klaren Projektrahmen. Der Proof of Concept wurde zudem anhand vier komplett unterschiedlicher Beispiel-Situationen durchgespielt.“
Faktor 6
Standards nutzen
- Simplifizierung der Prozesse, wo möglich
- Alte Strukturen / Prozesse aufbrechen
- An Best Practices orientieren
- Sonderprogrammierungen nur, wo notwendig
- Start simple
Warema: „Bei uns gab es die Regel: Sonderprogrammierungen nur, wenn unbedingt erforderlich – sowohl aus zeitlichen als auch aus finanziellen Aspekten. Damit sind wir sehr gut gefahren. Natürlich gab es einige Customizing-Notwendigkeiten in Bezug auf Schnittstellen, aber auch da sind wir auf eine offene Basis gegangen, wodurch wir nichts verbiegen oder verändern mussten. Unsere Prozesse haben wir an die Möglichkeiten des Systems angepasst.“
Faktor 7
Der Auswahlprozess
- Neutraler Berater als Begleiter
- Dienstleister am Prozess beteiligen
- „Nasenfaktor“
- Video- und Demo-Material & Referenzkunden
- Expertise der Partner vertrauen
Warema: „Wir sind ohne Erfahrung mit PIM in das Projekt gegangen. Mit einem neutralen Berater haben wir Anforderungen und Analysen erstellt. Während der kompletten Projektphase hat uns der Berater unterstützt – die finale System- und Dienstleisterauswahl wurde anhand einer Long List und der daraus resultierenden Short List durchgeführt. Die drei potenziellen „Kandidaten“ durften ihre Lösungen anhand von uns vorgegebener User Stories vorstellen und durchspielen. Ein erweitertes Kernteam bewertete anhand von Checklisten die Präsentationen – auch der soziale Gesichtspunkt (Ansprechpartner!) war ein wichtiger Faktor darin. Es muss einfach ‚menscheln‘ in einem solchen Projekt.“