Temel Kahyaoglu, Chief Analyst von TGOA, im Gespräch mit Markus Fuchshofen, Geschäftsführer der bonprix Handelsgesellschaft mbH, und Jörg Rewer, geschäftsführender Gesellschafter der Laudert GmbH + Co. KG
Die effiziente Erstellung von Content ist für die meisten Unternehmen elementar, da er die Voraussetzung für den erfolgreichen Vertrieb der eigenen Produkte ist. Ein solches Unternehmen ist bonprix, Tochter der Otto Group und internationaler Modeanbieter.
Der frühere Katalogversender ist heute mit 29 Onlineshops weltweit im E-Commerce erfolgreich und feiert dieses Jahr seinen 30. Geburtstag.
Herr Fuchshofen, wofür steht die Marke bonprix heute?
MARKUS FUCHSHOFEN: Unser Claim „bonprix – it’s me“ beschreibt auch unsere Haltung. Wir machen Mode, die zum Leben unserer Kundinnen passt, und wir bieten jeder Frau, in jedem Alter und jeder Größe immer wieder inspirierende Modeerlebnisse. Das gelingt uns durch ein breites Sortiment und ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir präsentieren uns als Partner in allen Modefragen – auch wenn es um die Kinder, den Partner und das Zuhause geht. An den Touchpoints wollen wir deshalb ein Einkaufserlebnis bieten, das inspirierend, überraschend und relevant für jede individuelle Käuferin ist.
Welche Anforderungen ergeben sich aus dieser Positionierung?
M. F.: Als e-driven Company richten wir natürlich den Fokus auf sich kontinuierlich verändernde Vertriebskanäle. Das Smartphone ist heutzutage fast immer dabei, und soziale Medien haben großen Einfluss. Das bedeutet, dass wir unsere Inhalte stetig den neuen Anforderungen anpassen müssen. Eine kundenzentrierte, emotionale und persönliche Ansprache über hervorragenden Content ist für uns von zentraler Bedeutung.
Im Kataloggeschäft waren Sie ja schon immer darauf angewiesen, Content ansprechend darzustellen. Inwiefern ist nun anderer Content erforderlich?
M. F.: Im Katalog waren wir aus Platzgründen in der Menge des verwertbaren Contents stets limitiert. Heute ist der Onlineshop unsere zentrale Kommunikationsplattform. Hier bestehen derartige Beschränkungen nicht mehr. Gleichzeitig ergeben sich viel mehr Möglichkeiten bei der individuellen Darstellung von Inhalten. Das Bild ist dabei das wichtigste Element bei der Produktinszenierung für bonprix. Wir haben den Anspruch, dass wir beispielsweise ein Kleidungsstück in mehreren Farben nicht nur mit vielen Fotos an unterschiedlichen Models zeigen, sondern dieses auch im Rahmen verschiedener Outfits präsentieren möchten. Das erfordert eine erheblich größere Menge an Content im Vergleich zu reinen Katalogzeiten.
Herr Rewer, ich habe Laudert als Medien- und IT-Dienstleister kennengelernt. Sie übernehmen also sicher die Bearbeitung der Bilder für bonprix?
JÖRG REWER: Ja, aber wir sind auch schon seit etlichen Jahren als Fotografie-Dienstleister für das Unternehmen tätig. bonprix war sogar der Treiber, mit dem wir die genannten Anforderungen schon im Jahr 2010 diskutiert hatten. Der besondere Reiz bestand darin, den kreativen Erstellungsprozess und die Effizienz in der Produktion zu vereinen. Das haben aus meiner Sicht viele Dienstleister bis heute nicht verstanden. Aufgrund dieser gelungenen Kombination aus fotografischem Können und prozessorientierter Arbeitsweise haben wir unser seit 1999 bestehendes Fotostudio zu einer 80 Mitarbeiter starken Content-Produktionsfabrik mit drei Standorten in Deutschland ausbauen können.
Was verstehen Sie unter einer prozessorientierten Arbeitsweise?
J. R.: Der Content-Erstellungsprozess ist sehr umfangreich. Er beinhaltet unter anderem die Beauftragung und Planung, die Warenanlieferung und -aufbereitung, die Fotografie, die Bildauswahl und schließlich die Rücksendung der Ware. Gemeinsam mit unseren Kunden geben wir den kreativen Bestandteilen dabei so viel Raum wie nötig. Gleichzeitig automatisieren wir alle anderen Prozessbestandteile so weit möglich. Aus diesem Grund spielt die IT eine immens wichtige Rolle für uns.
An welcher Stelle unterstützt die IT Sie denn hier?
J. R.: Man sollte meinen, die Fotografie ist heute bereits digital, zum Beispiel durch Digitalkameras und Photoshop. Wir müssen jedoch einen Schritt weitergehen: Es geht um die Digitale Transformation sämtlicher Geschäftsprozesse bei der Content-Erstellung, zu der wir unsere IT-Kompetenz benötigen. Konkret äußert sich dies zum Beispiel in unserer Content-Logistik-Software LaudertContentFlow®, die einmalig in diesem Bereich ist. Sie wird durchgängig während des gesamten Prozesses eingesetzt und ermöglicht uns, auf Knopfdruck eine Aussage über alle Produktionsdetails, wie zum Beispiel den Arbeits- fortschritt oder die Auslastung zu treffen. Inzwischen haben wir damit einen sehr hohen Automatisierungsgrad erreicht.
Wir haben bisher ausschließlich von Bildern gesprochen. Herr Fuchshofen, welche Bedeutung haben sonstige Produktinformationen für Ihr Unternehmen?
M. F.: Natürlich ist das Produktbild das für uns entscheidende Mittel zum Verkauf. Darüber hinaus sind ein detaillierter Beschreibungstext sowie verschiedene Produktmerkmale essenziell. Mit Produktvideos haben wir diverse Tests durchgeführt und festgestellt, dass ein selektiver Einsatz für uns am sinnvollsten ist.
Herr Rewer, wie passt die Erstellung weiterer Produktinformationen in Ihren Content-Prozess?
J. R.: Wir bieten unseren Kunden die Möglichkeit, auf Grundlage der uns zur Verfügung gestellten Produkte sämtliche Inhalte, wie zum Beispiel Bild, Video und Text, für den Einsatz in den verschiedenen Kanälen bereitzustellen. In vielen Fällen liefern wir die erstellten Produktinformationen direkt in die angebundenen Kundensysteme aus, zum Beispiel in PIM- oder Shop-Systeme. Die in einem Content-Erstellungsprozess enthaltenen Bausteine sind natürlich abhängig von den Anforderungen des jeweiligen Unternehmens. Ein Fashion-Anbieter wie bonprix setzt in der Regel andere Schwerpunkte als ein Industrieunternehmen. Neben dem wohl wichtigsten Content-Element, dem Bild, zählen das Verfassen und Übersetzen von Texten, die Erstellung von Videos sowie die Erfassung von Produktmerkmalen zu den weiteren Bausteinen. Die Kombination bestimmter Content-Bausteine bringt zusätzliche Einsparungen, da bestimmte Vorarbeiten nur einmal durchgeführt werden müssen. Stellen Sie sich die Fashion-Fotografie am Model vor. Wenn Sie also mit dem Gedanken spielen, Videos davon in Ihren Vertriebskanälen zu zeigen, ist im Anschluss an das Foto genau der richtige Zeitpunkt. Das Model trägt das Kleidungsstück und wurde bereits für das Foto aufwendig gestylt.
M. F.: Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wir haben uns intensiv Gedanken über den optimalen Ablauf zur Bewerbung unserer Produkte gemacht. Wir haben insbesondere viel Wert darauf gelegt, verschiedene Abteilungen, wie die ehemalige Katalogherstellung und E-Commerce, sinnvoll miteinander zu verzahnen, sodass die Grundlagen für unsere Multichannel-Aktivitäten geschaffen wurden. Zu diesem Zweck entwickeln wir den Großteil unserer IT- Systemlandschaft aus eigener Kraft.
Herr Rewer, welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Auswahl der richtigen Systeme zur Verwaltung von Produktinformationen?
J. R.: In der Regel stellt ein System mit PIM-, MAM– und Workflow-Komponenten die Grundlage für erfolgreiches Multichannel-Management dar. Als Hersteller und Integrator namhafter Systeme wissen wir, dass es eine Vielzahl ausgereifter Lösungen mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen gibt, deren technische Umsetzung heutzutage Routine ist. Dennoch sind sie oftmals nicht praxistauglich, da die eigentlichen Inhalte nicht vorhanden sind und auch kein nachhaltiger Ablauf erarbeitet wurde, um neuen Content zu erstellen. Systemhersteller und teilweise sogar Integratoren setzen in ihren Konzepten voraus, dass Content schon irgendwie entstehen wird. Woher dieser stammt und wie er entsteht, ist vielen Dienstleistern egal. Für die Unternehmen ist das jedoch essenziell. Genau aus diesem Grund halten wir den Prozess zur Content-Erstellung für einen häufig unterschätzten Bereich in derartigen Projekten.
Was sehen Sie beide als wichtigste Entwicklung für Ihre Unternehmen in Bezug auf Content in den kommenden Jahren?
M. F.: Der Anteil im Onlineshop wächst stetig. Dabei möchten wir unseren Content noch individueller auf den Einzelnen zuschneiden. Jede Woche entwickeln wir aus dem Blickwinkel unserer Kundinnen heraus neue Storys oder erweitern bestehende, um zusätzliche Trend-Updates und neue Looks zu bieten. Wir beschäftigen uns außerdem intensiv mit dem Thema Onlineberatung. Dazu werden wir zukünftig Tools für eine individualisierte Modeberatung für unterschiedliche Sortimente anbieten und diesen Service weiter ausbauen. Darüber hinaus legen wir auch weiterhin viel Wert darauf, dass sämtliche Inhalte medienneutral vorgehalten werden, also universell auch für neue Vermarktungskonzepte eingesetzt werden können.
J. R.: Schon heute haben wir die Herausforderung zu bewältigen, dass die Menge des zu erstellenden Contents enorm angewachsen ist und weiterwachsen wird. Gleichzeitig werden die Produktionszeiträume kürzer – zu gleichen Konditionen bei gleichbleibend hoher Qualität. Genau aus diesem Grund verlassen wir uns nicht nur auf die Fotografie. Wir ergänzen diese mit unserer Bildbearbeitungskompetenz sowie CGI, also am Computer erstellten Bildern. Bevor man teures Parkett in stundenlanger Arbeit als Hintergrund für ein Foto verlegt, lässt sich dies sinnvoller mittels CGI rendern und mit dem Foto kombinieren. Wir sehen uns für die Zukunft bestens gewappnet, da wir aus den drei Bausteinen Fotografie, Bildbearbeitung und CGI immer die optimale Kombination für die individuellen Kundenbedürfnisse wählen können. Darüber hinaus sehen wir einen Trend, Content auch direkt vor Ort in den Logistikzentren der Unternehmen zu erstellen. Dies verschlankt den Gesamtprozess durch den Entfall des Warenversands zusätzlich.
Quelle: Das Produktkulturmagazin, Ausgabe Q3 2016