Aus dem Tagebuch eines Art Directors

Aus dem Tagebuch eines Art Directors

Von Blendmanövern und Kassen, die nicht mehr klingeln

Im Smalltalk mit branchenfremden Leuten blicke ich häufig dann in ratlose Gesichter, wenn das Thema Beruf auf den Tisch kommt. „Ich bin Art Director“ – diese vier Wörter reichen aus, um die wildesten Gedankengänge in den Köpfen der Gesprächspartner auszulösen: Art… was? Was macht der Typ? Hat wahrscheinlich irgendwas mit Kreativität zu tun?! Nach meist fünf mir sehr lang vorkommenden Sekunden gibt es zwei verschiedene Reaktionen: 1. Die Person fragt genauer nach oder 2. Die Person versucht, die Unwissenheit zu überspielen. Nichtsdestotrotz ist es eigentlich immer ganz amüsant – ähnlich wie der Job an sich. Glauben Sie nicht? Dann lasse ich Sie in mein Tagebuch blicken.

Art Director = künstlerischer Leiter

Die deutsche Übersetzung hört sich veraltet an, trifft die Jobbeschreibung aber gut. Art Director sind weder Visual Designer noch Creative Leads oder Projektmanager. Art Director liefern die Gene für eine Kampagne und verantworten Inhalt sowie Produktion. Design Know-how, Kreation,  strategisches und konzeptionelles Denken, Zeit- und Personalmanagement sowie Budgetplanung werden durch eine Person abgedeckt. In der Umsetzung wird der Art Director durch ein Team an Mediengestaltern und Textern unterstützt. Wie man sieht, sind die Aufgaben komplex und können nicht einfach so abgearbeitet werden – da steckt viel mehr dahinter.

Der Pitch

Angefangen beim Pitch, bei dem es heißt: Alles oder nichts. Hier geht es darum, als Art Director die eigene Idee richtig zu verkaufen und schlussendlich zu überzeugen! Hier sind vertriebliche Skills gefragt: Was habe ich mir dabei gedacht? Wie spreche ich die Zielgruppe damit an? Wie hebt sich diese Kommunikationskampagne von anderen ab?… 

An dieser Stelle sehen sich meist die ausschreibenden Unternehmen als diejenigen, die es ja so schwer haben. Aus dem Dschungel an Agenturen, die alle damit werben, die einfallsreichsten Ideen und besten Kampagnen umzusetzen, letztlich wenige zum persönlichen Kennenlernen einzuladen, ist auch nicht einfach. Und dann noch diese Blendgranaten und Blitzlichtgewitter bei der Präsentation an sich, die der eine oder andere Kreative auffährt. Da kann man sich ja kaum auf das Wesentliche konzentrieren. Da lobe ich mir die Pitches, die auf 5 Minuten begrenzt sind. Ich schwätze zwar auch gerne, kann mich dann aber auch mal am Riemen reißen und ganz unprätentiös fokussieren. Wir sind eben nicht die Sorte Agentur, die viel Chichi in den Ring wirft, sondern ganz unaufgeregt und pragmatisch solide Kreativ-Arbeit abliefert. Unser Job hat ja auch viel mit Vertrauen zu tun, da müssen die Nasen einfach zusammenpassen – und wer Chichi sucht, passt eben nicht zu uns.

Außerdem sei mal erwähnt, dass es auch die Präsentatoren nicht immer leicht haben. Geschmäcker sind unterschiedlich. Auch wenn der ADler der festen Überzeugung ist, dass die Idee gefallen wird, kann die Präsentation auch nach hinten losgehen… Das kratzt natürlich am Ego… da kann man froh sein, wenn man ein paar Jahre Agentur-Erfahrung auf dem Buckel hat und weiß, wie man es wegsteckt und weiter draus lernt.

Briefing und Umsetzung

Nicht nur die Präsentation, auch die Umsetzung der Kommunikationskampagne an sich ist ein Drahtseilakt. Denn hier geht der Art Director mit seinem Team intensiv in die feine Ausarbeitung der Kampagne. Da braucht es – durch ganz unterschiedliche Faktoren – auch mal mehrere Anläufe, bis die Kampagne steht. Denn eins ist klar: Natürlich muss der Art Director verstehen, welche Ziele der Kunde mit der Kampagne erreichen will. Grundvoraussetzung dafür ist aber auch, dass der Kunde selbst erst einmal wissen sollte, was er überhaupt möchte. Hört sich banal an – erlebt man aber immer wieder. Da wundert es nicht, dass bereits freigegebene, komplett ausgearbeitete Kampagnen kurz vor Schluss gestoppt werden. Plötzlich soll eine ganz andere Richtung eingeschlagen werden, um letztlich dann doch wieder zu den ersten Ergebnissen zurückzurudern. Kommt immer wieder mal vor.

 

Die Zusammenarbeit mit den Entscheidern auf Kundenseite kann von kooperativ bis nervenraubend wirklich alles sein. Natürlich verpasst der ADler Kommunikationskampagnen mit der eigenen Note und eine kritische Sichtweise externer Personen auf die Dinge ist daher gut. Sobald die Idee aber dann soweit verändert wird, dass sie die Zielgruppe letztlich verfehlt, ist die Idee auf Deutsch gesagt „verhunzt“. In solchen Situationen versuche ich einzugreifen und allen Parteien immer wieder klarzumachen, dass die Zielgruppe im Fokus steht. Denn es ist klar, dass der Einkäufer alle Artikel aufnehmen, der Grafiker für eine gute Optik sorgen und der Chef mit der Kampagne Umsatz erzielen will. Oft diskutieren sich die Parteien tot, da jeder seine Ziele als die wichtigsten ansieht. Doch manchmal müssen nun mal Abstriche gemacht werden, um die Zielgruppe zu erreichen. Denn letztlich ist der Endkunde König. Das A und O ist also die Analyse der Zielgruppe hinsichtlich Alter, Interessen, Kaufverhalten, Bedürfnissen… Bei all dem erinnere ich mich immer an den „Father of Advertising“ David Ogilvy, dessen Meinung war, dass alles, was nicht verkauft, auch nicht kreativ ist.

 

Im Moment kann ich mich über die Ansprechpartner zum Glück nicht beklagen. Etwas wehmütig macht mich, dass man sich bei Laudert nicht „nur“ kreativ austoben kann. Gab es in früheren Zeiten noch die Möglichkeit, mit z. B. Plakatadaptionen die Kasse richtig klingen zu lassen, gibt es bei Laudert diverse Software-Tools, die hier unterstützen. Gut für das Budget des Kunden, schade für mich.  Andererseits kann ich meine Zeit für die wirklich kreativen und konzeptionellen Aufgaben setzen. Also alles im Lot.

Das KreaTIEF

Und dann wäre da ja noch das altbekannte kreative Loch. Dass auf Knopfdruck DIE Idee aus uns heraussprudelt, ist ein Wunschgedanke. Mal klappt es schneller, mal langsamer. Was da hilft? Abstand! Abstand vom Büro, der Kampagne, der Aufgabe. Die besten Ideen kommen mit zum Beispiel beim Einkaufen im Supermarkt oder wenn ich Zeit mit meinen Kindern verbringe.

 

Wenn nicht nur der Kunde begeistert ist, sondern auch ich als ADler selbst von der Idee hundertprozentig überzeugt bin, bin ich glücklich. Wenn dann noch die Zielgruppe besser reagiert als erwartet, bin ich im ADler-Himmel!

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